„But why can’t we talk about it?” – Bang!

Am 21. und 22. Mai 2022 besuchte der englische Kampfkunstmeister und Selbstverteidigungs-Experte Iain Abernethy (7. Dan Karate WCA) zum zweiten Mal Hamburg und gab im Budocentrum der Sportvereinigung Polizei Hamburg (SVP) einen Karate- und Selbstverteidigungs-Lehrgang.

Tag 1: Karate

Am Samstag stand diesmal die Anwendungs-Interpretation (Bunkai) der Kata Enpi im Mittelpunkt, die außerhalb des Shotokan-Stils mit ihrem älteren Namen Wanshu bezeichnet wird. Iain interpretiert die überlieferten Kata konsequent als Anleitungen für die Selbstverteidigung im Nahkampf. So ergeben sich aus den Kata-Bewegungen auch zahlreiche Hebel-, Würge- und Wurf-Techniken, die mehr an Ju-Jutsu als an das „moderne“ Karate erinnern, das sich fast vollständig auf Schlag- und Tritt-Techniken aus der mittleren Distanz konzentriert. Die Kata beinhalten dabei nicht nur äußerst effektive Techniken, um den Gegner möglichst schnell unschädlich zu machen, sondern oft auch alternative Sequenzen, falls das ursprüngliche Konzept nicht funktionieren sollte. So fand das gesamte Training in Form von Partner-Übungen statt, am Ende mit einem spektakulären Wurf, der im Judo als Kata-Guruma bekannt ist.

Anwendungs-Interpretation (Bunkai) der Kata Enpi mit Abschlußwurf

In gewohnt lockerer und unterhaltsamer Weise unterlegte Iain das Training nicht nur mit Zitaten aus den Schriften alter Karate-Meister, sondern auch mit allerlei persönlichen Erfahrungen und Anekdoten. Genau die richtige Mischung für die fast 70 überwiegend hoch graduierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die am Ende der fünfeinhalb Stunden zwar reichlich erschöpft waren, aber auch voll mit neuen Ideen zur Interpretation der Kata und Übungen für das eigene Training – unter ihnen auch der Leiter der Karate-Sparte in der SVP, Bernd Facklam (3. Dan Karate und 6. Dan Ju-Jutsu).

Wie schon beim letzten Mal hatten Veranstalter und SVP-Mitglied Knut Riedel (4. Dan Karate und 1. Kyu Ju-Jutsu) und sein Team am Samstag wieder eine private Sightseeing Tour für den Gast vorbereitet. Bei schönstem Sonnenschein gab es dieses Mal zunächst eine Alster-Kreuzfahrt, dann einen faszinierenden Ausblick über die Stadt und schließlich eine Führung durch den abwechslungsreichen Stadtteil St. Georg.

Fotogalerie Samstag, 21.05.2022

Tag 2: Selbstverteidigung

Der Sonntag war wieder ganz dem Thema Selbstverteidigung gewidmet, um auch interessierte Nicht-Karate-Ka anzusprechen. Dieses Angebot wurde gut genutzt, u.a. von Isabella Semeraro (Krav-Maga Instructor in der SVP) und Rolf Brauße (4. Dan Ju-Jutsu, Ju-Jutsu Allkampf- und Selbstverteidigungs-Trainer in der SVP). Auch am zweiten Tag war das Budocentrum mit ca. 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wieder mehr als gut gefüllt.

Und auch dieses Mal waren Pratzen das zentrale Hilfsmittel in den Partnerübungen, um das ungebremste Zuschlagen zu üben und direktes Feedback zur eigenen Technik zu bekommen. In Erinnerung bleiben wird den Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Sicherheit Iains Übung, einem zu nah geratenen Aggressor die Frage „Why can’t we talk about it?“ zu stellen – sich aber konsequent darauf zu drillen, dabei die Hände zu öffnen, dem Aggressor bei der letzten Silbe direkt mit der offenen Hand einen Schlag ins Gesicht zu verpassen und sich dann schnellstmöglich in Sicherheit zu begeben.

Nothilfe-Szenario: Andere und sich selbst aus einer Gefahrensituation bringen

Highlight des Tages waren aber zweifellos die Übungen, bei denen es um den Schutz von anderen ging. Nicht nur mögliche Aggressoren, sondern auch den Schützling selbst unter Kontrolle zu halten und möglichst unversehrt in Sicherheit zu bringen, war ein Szenario, das viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum ersten Mal durchliefen und dabei viele neue und lehrreiche Erfahrungen machten. Wie auch bei den anderen Übungen des Tages machte Iain immer wieder klar, dass Selbstverteidigungs-Skills ähnlich wie Erste-Hilfe-Techniken immer wieder aufgefrischt und in Szenarien geübt werden sollten, damit sie in realen Situationen auch ohne Nachdenken abgerufen werden können: „Our brain isn’t good in thinking when under stress. Sometimes you even might not be able to count to two.“

Fotogalerie Sonntag, 21.05.2022

Fazit

Veranstalter Knut Riedel zog ein sehr positives Fazit: „Ich bin total glücklich mit den beiden Tagen. Durch weniger Corona-Auflagen waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch gelöster als beim letzten Mal und wir konnten nun auch wieder einige Sachen machen, die im letzten September noch nicht möglich waren. Und es war einfach toll, so viele bekannte Gesichter wieder zu sehen und auch viele neue Leute das erste Mal zu treffen. Ich denke, wir sind dabei, hier eine Institution aufzubauen.“

In der Tat wurde das Budocentrum als Austragungsort mit Mattenboden und den zur Verfügung gestellten Pratzen von vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern begeistert aufgenommen.

Auch Iain Abernethy zeigte sich wieder vollauf begeistert vom Lehrgang und der Stadt Hamburg. Entsprechend sind die nächsten Termine mit ihm im September 2022 sowie Mai und September 2023 schon vereinbart.

Nicht unerwähnt bleiben darf das besondere Engagement von Wolfgang Müller, 1. Vorsitzender der Budoabteilung der SVP, der den kompletten Samstag mit zahlreichen Kuchen-Spenden und frisch gebrühtem Kaffee für das leibliche Wohl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sorgte. Die Einnahmen aus der „Kaffeekasse“ in dreistelliger Höhe spendet die SVP der Aktion Deutschland Hilft e. V.

Ebenso genannt werden müssen Isabella Semeraro, Nikita Fedorowa sowie Rolf Brauße, die am Sonntag privat den Tresendienst im offiziell geschlossenen Restaurant Budopoint übernahmen und so wiederum für ein wenig mehr Heimeligkeit für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sorgten.

Die Überschüsse aus den Lehrgangsgebühren, ebenfalls in dreistelliger Höhe, werden der Hamburger Organisation Dunkelziffer e.V. Hamburg gespendet, die sich für sexuell missbrauchte Kinder einsetzt.

Freuen sich über einen erfolgreichen Karate-Lehrgang im Budocentrum Hamburg v.l.: Referent Iain Abernethy (7. Dan Karate WCA) und SVP-Veranstalter Knut Riedel (4. Dan Karate)

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Text: Knut Riedel (SVP)/Fotos: Andreas Rasche (SVP)