Würgen, schlagen, treten, beißen: Karate-Kata Lehrgang mit Iain Abernethy

An die Kehle, auf die Rippen, zwischen die Beine, abgewürgt und Knie im Bauch – Karate-Kata Jion in Anwendung: Bereits zum dritten Mal besuchte der englische Kampfkunst-Meister und Selbstverteidigungs-Spezialist Iain Abernethy (7. Dan Karate, WCA) am 10. / 11. September 2022 das Budocentrum der Sportvereinigung Polizei Hamburg (SVP) und gab einen Karate-Lehrgang der besonderen Art.

Iain gilt als einer der international angesehensten Vertreter des „practical Karate“ – eine Stilrichtungs-übergreifende Bewegung, die die klassischen Karate-Katas konsequent als Basis für eine effektive Selbstverteidigung auslegt. Iains Spezialität ist dabei die Interpretation der überlieferten Bewegungssequenzen (Bunkai) als Nahkampf.

Tag 1: Bunkai der Kata Jion

Jion gilt als Klassiker im Shotokan-Stil und zeichnet sich durch relativ simple, sehr kraftvoll vorgetragene Bewegungen aus. Unterlegt mit vielen Zitaten von „klassischen“ Karate-Meistern, interpretierte Iain die Kata als relativ geradliniges Selbstverteidigungs-System mit Griffen an den Kehlkopf, Würgern, Tritten in die Beine und Schlägen auf die kurzen Rippen, in die Weichteile und an den Kopf. Eine besondere Inspirations-Quelle war dabei die Kata-Variante des okinawanischen Karate-Meisters Hanashiro Chomo, die in einem der ersten Karate-Bücher von 1938 mit Fotos festgehalten ist.
Den mit Partnerübungen vollgepackten Samstag beschloss Iain mit Ausflügen in einige Techniken aus den Katas Jitte und Ji’in, die er als Erweiterungen und Variationen von Jion versteht.

Beendet wurde der Tag danach mit einer – inzwischen zur Tradition gewordenen – kleinen Sightseeing-Tour. Auch dieses Mal gab es für Hamburg ungewöhnliches „Kaiserwetter“ und die Tour führte den Gast aus England auf den Michel und danach durch Planten un Blomen in die Schanze. Und wieder war Iain absolut begeistert von der Schönheit und Vielfältigkeit unserer Stadt.

Fotogalerie Tag 1

Tag 2: Jion mit Pratzen und Kata-based-Sparring

Den Sonntag hatte Veranstalter und SVP-Mitglied Knut Riedel (5. Dan Karate und 1. Kyu Ju-Jutsu) diesmal zur Vertiefung der gelernten Anwendungen vorgesehen. Dazu wandelte Iain zunächst die am Samstag nur ohne „echten“ Kontakt mit dem Partner gelernten Bewegungen so ab, dass sie mit voller Durchschlagskraft auf Pratzen ausgeführt werden konnten. Für viele „klassisch“ trainierende Karate-Ka ist diese Übertragung der sonst nur in die Luft oder in sicherem Abstand ausgeführten Techniken in „Wirkungstreffer“ immer noch ungewohnt – nach erster Eingewöhnung wurde aber so enthusiastisch geübt, dass Iain an einigen Stellen sogar tiefer als vorgesehen in die Arbeit mit Pratzen einstieg.

Den zweiten Block bildete am Sonntag dann Iains spezielle Form der „freien Partnerarbeit“, dem „Kata-based-Sparring“. Basierend auf „Grappling“ geht es hier darum, im Nah-Kontakt Eingänge für die in den Katas zu findenden Techniken zu finden bzw. herzustellen. Schrittweise baute Iain daher Techniken vom Vortag sowie simulierte Griffe in die Weichteile, Fingerstiche in die Augen und sogar Bisse ein – Techniken, die für die reale Selbstverteidigung hoch relevant sind und für eben diesen Zweck auch von zahlreichen Kampfkunst-Meistern in ihren Schriften empfohlen wurden. Zum Abschluss reicherte der Meister die Grappling-Sequenz dann mit einer Schimpf-Attacke zum Start und einem „staring down“ zum Ende an, die zusätzlichen Stress in die Übungen brachten.
Durch Iains Trainings-Konzept, dass Übungen immer „productive, safe and fun“ sein sollen, waren alle Teilnehmenden am Ende zwar sichtlich erschöpft, konnten aber ohne körperliche Blessuren aus dem Training gehen. Well done, Iain.

Fotogalerie Tag 2

Fazit

Durch zahlreiche parallele Veranstaltungen im norddeutschen Raum konnte Veranstalter und Organisator Knut Riedel dieses Mal nur deutlich weniger Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßen als bei den beiden Vorgänger-Events. „Im letzten September gehörten wir zu den ersten, die nach Corona wieder einen Lehrgang angeboten haben, und das übertrug sich auch noch bis in den Mai. Jetzt aber waren die Kalender wirklich übervoll und einige gute Bekannte haben auch aus privaten Gründen absagen müssen. Umso schöner ist es, dass wir wieder viele neue Gesichter begrüßen konnten und dass Iain Hamburg, das Budocentrum und das Team inzwischen wirklich in sein Herz geschlossen hat“, resümiert er. Und er ergänzt: „Auch diesmal werde ich wieder eine Umfrage mit den Teilnehmenden durchführen, um Feedback zu bekommen, den Ablauf zu optimieren und dann gemeinsam mit Iain ein spannendes Angebot für das nächste Mal zusammen zu stellen.“

Der Termin dafür steht bereits: 20. / 21. Mai 2023 im Budocentrum.

Text: Knut Riedel (SVP) / Fotos: Andreas Rasche (SVP)