„Vor die Lage kommen“ – Workshop „Gewalthandhabung“ mit Tobias Brodala

Am 19. und 20. November 2022 fand im Budocentrum der Sportvereinigung Polizei Hamburg (SVP) erstmals der Selbstverteidigungs-Workshop „Gewalthandhabung“ mit Tobias Brodala statt.

„Mein Ziel ist nicht, Euch tausend tolle Techniken zur Selbstverteidigung zu zeigen, sondern eure Gehirne auf übergriffige Situationen vorzubereiten. Bei einem gewalttätigen Übergriff sollt ihr aus der Überraschung oder Überwältigung wieder VOR die Lage kommen, um dann taktisch all das einsetzen zu können, was ihr im Kampfsport gelernt habt“, so umriss Tobias Brodala prägnant das Ziel seines Workshops.

Workshop „Gewalthandhabung“ mit Tobias Brodala im Budocentrum Hamburg

Tobias (39) hat einen sehr speziellen Zugang zum Thema Selbstverteidigung bzw. „Gewalthandhabung“, denn er stammt nicht aus dem Kampfsport-/Kampfkunst-Umfeld, sondern seine Basis sind Lageanalyse, Taktik und Psychologie. Als ehemaliger erster Repräsentant von Blauer Tactical Systems (S.P.E.A.R.) im deutschsprachigen Raum, Trainer für Polizeieinheiten, Rettungs- und Sicherheitskräfte sowie Berater des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) fußen seines Trainingsinhalte nicht auf bestimmten „Systemen“, sondern v.a. auf der Analyse von realen Übergriffen – daraus hat Tobias die typischen beobachtbaren Probleme, die „taktischen Imperative“ und die typischen „Fuck Ups“ extrahiert.

In didaktisch klaren Schritten baute er daher sein Seminar in Mini-Szenarien auf, in denen es immer wieder um dieselbe Herausforderung ging: In einer körperlich wie psychisch diffusen und unangenehmen Situation den natürlichen Schutz-Reflex (englisch „Flinch“) zu nutzen und aktiv eine „Schubumkehr“ einzuleiten, um in eine buchstäblich stabile Ausgangslage für weitere Aktionen zu gelangen – diese konnten dann entweder eigene Gewaltanwendung, Flucht oder auch ein Ablassen vom Gegenüber sein. Gerade für die in Kampfsport und Selbstverteidigung erfahreneren Teilnehmenden bestand die Herausforderung oft darin, sich wirklich an die Regeln der Szenarios zu halten, die Ausgangspositionen von Erschrecken und erster Hilflosigkeit zuzulassen und diese nicht schon vorab durch „Schummeln“ mit geübten Bewegungen abzuwenden.

Nachdem am Samstag die „Basics“ eingeübt wurden, wurde das Blickfeld am Sonntag auf Deeskalation und Flucht erweitert. Die Teilnehmenden übten wieder in Partnerübungen, genauer auf Vorkontakt-Hinweise zu achten und zu erkennen, wo es noch „um die Sache“ oder nur noch „um die Person“ ging. Für das Thema Flucht ging es dann nach draußen und bei eisigen November-Temperaturen lernten die Teilnehmenden, in einer akuten Bedrohungssituation los zu sprinten und ggf. kontrolliert mit „der Umwelt“ (auch andere Teilnehmende) zu kollidieren. Auch hier wurden im Sinne des „kontrollierten Scheiterns“ wieder viele Erfahrungen mit den typischen „Fuck Ups“ der Flucht außerhalb der kontrollierten Dojo-Umgebung gemacht. Der Workshop endete mit einem Vier-Personen-Szenario, in dem alle Elemente der vorherigen zwei Tage zusammen kamen.

Fotogalerie Samstag

Fotogalerie Sonntag

 

Die Organisatoren Andreas Rasche und Knut Riedel (beide SVP) sind sehr zufrieden mit dem Workshop. „Wir hatten ursprünglich mit ca. 30 Teilnehmenden gerechnet und waren total überwältigt, als wir bei 50 Registrierten den Anmeldeprozess stoppen mussten“, sagt Knut Riedel. Andreas Rasche ergänzt: „Es ist toll, dass sich so viele Leute aus verschiedenen Kampfsportarten mit ganz unterschiedlichen Vorerfahrungen zu diesem Workshop zusammengefunden haben. Dies entspricht ja genau der Grundidee des Budocentrums: ganz unterschiedliche Menschen auf dieselbe Matte zu bringen und von- und miteinander zu lernen – am besten noch im Sinne des Selbstschutzes.“

Auch das Trainerteam der SVP war mit Rolf Brauße (Ju-Jutsu und Selbstverteidigung), Frank Büchner und Hanjo Bergmann (Giron Arnis) sowie Isabella Semeraro und Farhad Banwar (Krav Maga) prominent vertreten. „Ich habe ja schon Vieles in Sachen Selbstverteidigung erlebt, aber Tobias hat wirklich einen ganz eigenen Zugang, bei dem auch ich jedes Mal wieder ganz neue Aspekte mitnehme“, kommentiert Rolf. Und Farhad, der auch Spartensprecher der Budoabteilung der SVP Hamburg ist, bestätigt: „Dieser Lehrgang hat auch für uns Trainer und Trainerinnen nochmal einige Aspekte verdeutlicht. Das waren wirklich sehr klug und interessant aufgebaute Szenarien.“

Auch Tobias Brodala ist mit dem Workshop mehr als zufrieden: „Hamburg ist eine wunderschöne Stadt und mit dem Budocentrum habt ihr eine fantastische Trainingsumgebung geschaffen. Für das Seminar ist es euch gelungen, eine coole Gruppe ohne ‚große Egos‘ zusammenzutrommeln, die sehr konzentriert und ohne Verletzungen super mitgemacht hat. Ich bin total begeistert, vielen Dank.“

Alle Beteiligten waren sich einig, dass es im nächsten Jahr unbedingt eine Fortsetzung aus Tobias‘ reichhaltigen Programm geben muss. Text: Knut Riedel (SVP) / Fotos: Andreas Rasche (SVP)