Interview: Karate-Lehrgang mit Iain Abernethy

Am 4. und 5. September 2021 ist der englische Kampfkunstmeister Iain Abernethy (7. Dan Karate WCA) zum ersten Mal in Hamburg und gibt im Budocentrum der Sportvereinigung Polizei Hamburg (SVP) einen Karate- und Selbstverteidigungs-Lehrgang. Der Veranstalter des Lehrgangs ist unser langjähriges SVP-Mitglied Knut Riedel, 4. Dan Shotokan Karate und 1. Kyu Ju-Jutsu. Im Interview erfährst du, was Knut motiviert den Lehrgang zu organisieren und was dich dabei erwartet.

Freuen sich auf den Karate-Lehrgang im Budocentrum Hamburg, v.l.: Knut Riedel und Iain Abernethy

Interview mit Knut Riedel zum Karate-Lehrgang mit Iain Abernethy

Was erwartet uns an den beiden Tagen?

Am Samstag geht es um die Anwendungs-Interpretation (Bunkai) der Heian Godan. Das ist eine leicht fortgeschrittene Kata, die im Shotokan in der Prüfung zum zweiten blauen Gürtel kommt. Am Sonntag geht es dann rein um Selbstverteidigung, u.a. um weglaufen, sich aus ungünstigen Positionen verteidigen und – das ist für mich ein sehr wichtiges Thema – wie man andere beschützt. Das sind Dinge, die man im normalen Training eigentlich nie explizit übt, bei denen es in einer realen Bedrohungssituation aber total hilfreich ist, wenn man sie schon mal durchgespielt hat. Der Sonntag ist deswegen offen für Leute aus allen Kampf-Sportarten, -Künsten und auch für „Laien“ – es gibt keine Voraussetzungen, außer dass man 16 Jahre alt ist.

Was schätzt du an Iain?

Iains Bedeutung für die Karate- und die gesamte Martial Arts-Szene kann eigentlich gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Zunächst einmal ist Iain ein unheimlich positiver und offener Mensch, in dessen Training immer viel gelacht wird. Das steht schon mal in starkem Kontrast zu vielen finster dreinblickenden Kampfkunst-Meistern, die es immer noch gibt. Dabei hat Iain ein unglaubliches Wissen und eine unglaubliche Erfahrung – er definiert damit einen modernen Typ „Meister“.

Das überträgt sich auch auf sein pädagogisches Konzept. Er macht durchgängig Partnerübungen und diese sollen „safe, fun and productive“ sein. D.h. auch bei simulierten Augendrückern und Hodengriffen soll niemand Angst vor Verletzungen haben, es soll Spaß machen und das Ziel jeder Übung soll immer klar sein. Gerade das Letzte finde ich wichtig, denn viele (Karate-) Lehrgänge funktionieren immer noch nach dem Muster: Der Meister zählt und hundert Leute wiederholen einfach nur, was sie auch zuhause schon tausend Mal gemacht haben – man war dabei, aber was genau man gelernt haben soll, kann eigentlich keiner sagen.

Das Dritte ist seine Sichtweise auf Karate und insbesondere die Interpretation der überlieferten Kata. In der Entwicklung des Karate hat es einen klaren Bruch gegeben, als diese Kampfkunst von der Insel Okinawa in den 1930er bis 1950er Jahren in Festland-Japan populär wurde. Ursprünglich war Karate ein sehr viel umfassenderes System mit Hebeln, Würfen, Würgern, Grappling und auch Waffen-Techniken (Kobudo), das primär auf Selbstverteidigung ausgerichtet war. In Japan hatte man aber mit Judo und Kendo schon sehr profilierte Kampfkünste, von denen das „neue“ Karate klar abgegrenzt werden musste. So konzentrierte man sich auf Distanzangriffe und Nahkampf-Konzepte wurden offiziell nicht weiter vermittelt. Als Zweites wurden Wettkampf-Formate entwickelt, sodass es bei Kata nun v.a. um die perfekte Vorführung ging und beim Kumite im „Point-Fighting“ um das perfekte Timing mit einer sehr limitierten Technik-Auswahl.

Das Problem mit den überlieferten Kata, die angeblich das Herz des Karate ausmachen, war nun aber, dass sie so entweder zu bloßen Vorführ-Objekten wurden oder dass man versuchte, sie im Sinne des Distanz-Kampfes zu interpretieren, was aber taktisch wenig Sinn macht. Für viele, gerade fortgeschrittene Karate-Ka entstand so eine Spannung, weil zwar behauptet wurde, dass in den Kata ganze Kampfkonzepte gespeichert seien, sie aber auf Basis des üblichen Karate-Trainings einfach keinen sinnvollen Zugang dazu bekamen.

Iain hat hier einen sehr überzeugenden Weg gefunden, Kata wieder im ursprünglichen Sinn zu interpretieren – und das nicht als Geheimwissenschaft, sondern offen und mit leichtem Einstieg für jede/n. Mit dem Verweis auf viele klassische Texte der „alten Meister“ kann er außerdem belegen, dass dieser Angang wahrscheinlich dem Karate vor 1900 deutlich näher kommt als die heute übliche Form. Er stellt also eine ganz wichtige Verbindung her.

Warum veranstaltest du den Lehrgang im Budocentrum Hamburg?

Das Budocentrum Hamburg hat mit seiner riesigen Mattenfläche, den Pratzen usw. eine super Ausstattung für solch einen „Cross-over“-Lehrgang mit der angepeilten Teilnehmer:innen-Zahl. Außerdem besteht auch schon eine feste Verbindung, weil das Budocentrum in den letzten zwölf Jahren Veranstaltungsort für das Hamburger Karate Sommerseminar war.

Persönlich trainiere ich im Budocentrum Budo-Power, Ju-Jutsu und Ju-Jutsu Allkampf und kenne viele Leute aus anderen Sparten. Daher verbinde ich mit dem Budocentrum einfach dieses aktive „über den Tellerrand“ schauen. Und natürlich denke ich, dass es Rolf (Brauße / 1. Vorsitzender der Budoabteilung der SVP) gefallen wird, wenn da einer kommt, mit einer ähnlichen Einstellung wie er: „Ein paarmal feste druff und dann schnell weg“ – und der dann sogar einen Karate-Gi trägt. Daher hoffe ich, es melden sich für Sonntag auch viele interessierte Nicht-Karate-Ka an.

Interview: Andreas Rasche (SVP) und Knut Riedel (SVP) / Foto: Knut Riedel privat