Zum sechsten Mal schon besuchte der englische Karate-Experte Iain Abernethy (7. Dan, WCA) am 9. bis 11. Mai 2025 das Budocentrum der Sportvereinigung Polizei (SVP) in Hamburg für einen Lehrgang zur Anwendungs-Interpretation (Bunkai) einer klassischen Karate-Kata. Im Mittelpunkt stand diesmal die Kata Kushanku, im Shotokan Kanku-Dai genannt.
Kushanku ist neben Passai und Naihanchi eine der ältesten und prominentesten Kata, die in vielen Karate-Stilen in teilweise sehr unterschiedlichen Varianten geübt wird und die aufgrund ihrer Komplexität auch im Kata-Wettkampf sehr beliebt ist. Iain startete daher mit einer historischen Einleitung zur Entwicklung der Kata: Es wird vermutet, dass die okinawanische Karate-Legende „To-de“ Sakugawa die Kata zusammengestellt hat, um die Lektionen seines Lehrers, des chinesischen Gesandten Kushanku (Namensgeber der Kata), festzuhalten.

In historischen Dokumenten wird die Existenz dieses Gesandten belegt und ihm wurden besondere Fähigkeiten im Grappling und „schneidende“ Fußtechniken zugeschrieben. Sakugawa gab diese Form dann an seine Schüler weiter und so gelangte die Kata über Matsumura Sokon und Itosu Anko u.a. zum Begründer des Shotokan Funakoshi Gishin. Angeblich war sie dessen Lieblings-Kata, die er oft öffentlich vorführte. Allerdings benannte er sie aufgrund der charakteristischen Anfangsbewegung in Kanku-Dai um („Himmelsschau, große Variante“). Iain stellte den Aufbau der Kata als klar strukturiertes pädagogisches Konzept vor, das sich vom ungerichteten Schutz des Kopfes über die Manipulation der Arme des Gegenübers und gezielte Fußtechniken bis zu anspruchsvollen Würfen voran arbeitet.
Wie üblich gingen die über 50 teilnehmenden Karate-Ka am Samstag die einzelnen Sequenzen der Kata praktisch am Partner oder der Partnerin durch, um ihre Mechaniken dann am Sonntag auch auf Pratzen (Schlagpolster) zu übertragen. Die Arbeit mit Pratzen ist für Iain essentiell, sieht er doch Stoß- und Schlagtechniken als taktischen Kern des Karate an: „Die Besonderheit im Karate ist, dass wir zwar auch Hebel und Würfe verwenden – aber immer nur als Vorbereitung, um den Gegner am Ende mit einer gezielten Technik mit Faust, Hand oder Ellenbogen daran zu hindern, uns weiter anzugreifen oder zu verfolgen.“

Wie auch schon im letzten Jahr hatte Iain bereits am Freitagabend eine kostenlose Sonder-Einheit im Rahmen des Mastertrainings des Hamburger Karate Verbandes (HKV) gegeben. Hier stand Iains Anwendungsinterpretation der Kata Wankan im Mittelpunkt, die für ihn unterschiedliche Techniken zur Destabilisierung des Gegenübers zeigt. Initiiert vom Breitensport-Referenten des HKV, Michael Dück, kommen die Spenden der ca. 30 Teilnehmenden der gemeinnützigen Hamburger Organisation Phönikks zugute, die betroffene Familien mit Krebsberatung unterstützt.

Veranstalter Knut Riedel (5. Dan Karate, 1. Dan Ju-Jutsu, Mitglied des Vorstandes der Budoabteilung der SVP) war wieder zufrieden: „Es ist schon verrückt: Wenn Iain kommt, ist immer irgendetwas Großes los in Hamburg. Im letzten Jahr der Schlager-Move, in diesem Jahr der Hafengeburtstag und das HSV-Aufstiegsspiel. Umso mehr freue ich mich, dass wieder so viele Karate-Ka aus nah und fern buchstäblich den Weg zu uns gefunden haben, um sich von Iains einzigartigem Zugang zu Karate und Kata inspirieren zu lassen.“


Entsprechend fiel auch die sonst übliche Sightseeing-Tour am Samstagabend aus, stattdessen wurde sie durch einen ausgedehnten Spaziergang im Hamburger Stadtpark und einen Ausflug auf die Aussichtsplattform des Planetariums ersetzt. Auch den nächsten Termin im Budocentrum haben Iain und Knut schon vereinbart: 22. bis 24. Mai 2026.
Text: Knut Riedel (SVP), Fotos: Andreas Rasche (SVP), Michael Dück (HKV), Marcus Meißner (privat)
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